Wer oder was ist Anonymous – was ist Anonymous nicht?
Und wer steckt hinter Anonymous? Die Debatte um das Phänomen Wikileaks hat sich über die letzten Monate, Wochen und schließlich Tage immer weiter aufgeheizt. John Perry Barlow – 1996 verkündete er bereits die „Declaration of Independence of Cyberspace aus“ – rief am 3. Dezember auch den ersten Informationskrieg aus: „The first serious infowar is now engaged. The field of battle is WikiLeaks. You are the troops.“
Mittlerweile hat sich auch Anonymous, jenes mysteriöse AktivistInnenkollektiv, das auf 4chan.org seinen Anfang nahm, in die Ereignisse, ob man diese nun gerechtfertigt als Krieg bezeichnen mag oder nicht, eingeschaltet. Die Wikipedia-Einträge zu Anonymous und zur Operation Payback, welche quasi als verteilte Kampagne gegen Top-Down-Anti-Piraterie-Kampagnen startete und im Verlauf zur einer Aktion gegen Wikileaks-Gegner umgemünzt wurde, dürfte dieser Tage intensiv von JournalistInnen studiert werden, die versuchen, Anonymous zu verstehen.
Da die Berichterstattung Anonymous sehr häufig entweder auf UserInnen der Plattform 4chan oder auf eine unberechenbare Hackergemeinde reduziert oder sie alternativ in Analogie zu bestehenden Protestbewegungen versucht zu lesen, versuche ich hier mit Blick auf einige Missverständnisse zusammen zu fassen was Anonymous ist bzw. was es nicht ist. Seit Ende 2009 befasse ich mich mit 4chan und Anonymous, insgesamt drei Artikel werden dazu demnächst erscheinen, Manuskriptfassungen von zweien davon kann man weiter unten herunterladen.
Folgende Fragen werden in diesem Blogpost adressiert – falls es weitere gibt, die man stellen sollte oder sonst etwas Wichtiges fehlt: Vielen Dank für einen Kommentar!
1. Was ist Anonymous?
2. Woher kommt der Name Anonymous?
3. Wer sind Anonymous?
4. Warum gendern Anonymous nicht?
5. Bin ich Anonymous?
Was ist Anonymous?
Anonymous lässt sich am besten als Form eines offenen Ad hoc-Aktivismus verstehen: Hinter Anonymous steht kein Verein, keine feste Gruppe von sich auch im sogenannten Real Life verabredenden Individuen, noch nicht einmal ein bestimmtes Anliegen.
Anonymous und 4chan.org (siehe nächste Frage) sind weder eindeutig zu trennen noch gleichzusetzen. In der Berichterstattung wird Anonymous meist mit Aktionen gegen Internetzensur und Kriminalisierung von Internet-Piraterie verbunden, so z.B. im Fall der Aktionen gegen Scientology (Project Chanology) oder nun Operation Payback. Ist von ‚harmloseren‘ Aktionen die Rede, die z.B. nicht DDoS-Angriffe involvieren, dann redet die Berichterstattung bevorzugt von 4chan als dem/den Verantwortlichen, z.B. beim Aufspüren von Tierquälern, Hacken der Ergebnisse der 2009er TIME 100 Online-Abstimmung, Gratulationen für einen Weltkriegveteranen oder dem unerwarteten Gutheißen von kommerziellen Interventionen (die legendäre Old Spice-Kampagne soll selbst 4chan gefallen haben). Letztlich ist es gerechtfertigt, hinter beiden Arten von Szenarien Anonymous zu vermuten – was man auch daran sieht, dass z.B. auf den gerade verlinkten Artikeln über 4chan UserInnen als Anonymous oder Anon kommentieren – nicht aber umgekehrt davon auszugehen, dass 4chan immer die Plattform war, auf der eine bestimmte Aktion konkreten ihren Ausgang nahm oder ihr Epizentrum hat.
Woher kommt der Name Anonymous?
Auf dem Bilderforum 4chan.org, das seit 2003 besteht, können UserInnen ohne eine Registrierung diskutieren und Bilder veröffentlichen – genaugenommen können sie sich im konventionellen Sinne gar nicht registrieren. Sie können einen Nickname angeben – aber andere UserInnen können den ebenso benutzen. Wenn gar kein Username angegeben wird, wird „Anonymous“ als Autor angezeigt. Insbesondere auf dem Unterforum /b/ ist es üblich, als Anonymous aufzutreten. Daraus ergeben sich Diskussionen, bei denen keiner nachvollziehen kann, wer eigentlich mit wem spricht. Auch können sich keine Hierarchien von ‚Forumältesten‘ und ‚Frischlingen‘ einschleifen. Zur Debatte steht also jeweils nur der Inhalt eines Posts, eine Autorität kann man sich nicht erarbeiten. So sieht das z.B. aus:
Auch klar: Auf 4chan kann man Dinge äußern, die man sonst so nicht sagen würde. Häufig entgleiten Diskussion, insbesondere auf dem populärsten Unterforum /b/, auf dem fast alles erlaubt ist, ins Sexistische, Rassistische, sonstwie Diskriminierende. Nicht nur kann niemand dafür verantwortlich gemacht werden, es lohnt sich auch nicht, das rechtlich verfolgen zu wollen: Früher oder später, das ist eine weitere Eigenheit von 4chan, werden alle Posts gelöscht, oft nach Minuten. Je weniger andere UserInnen auf einen neuen Thread reagieren, desto schneller wird die Seite gelöscht – Originalität und ein gewagter Ansatz verlängern die Lebensdauer, auch das erklärt, wieso Debatten und visueller Diskurs auf 4chan einen Hang zum Extremen haben.
Aus dieser Konvention, als Anonymous aufzutreten hat sich mittlerweile eine kollektive Identität gebildet – siehe nächste Frage.
Wer ist Anonymous?
Anonymous ist weder eine einzelne, real existierende Person – und damit auch nicht Christopher Poole a.k.a moot, der Gründer von 4chan – noch ein klar umreißbarer Zirkel von real existierenden Personen. Anonymous kann man am besten verstehen als eine kollektive Identität, die man sich aneignen kann: um nicht man selbst zu sein, um von einer Position aus zu sprechen, die einem sonst nicht zustehen würde, ähnlich einer Maske, die man sich aufsetzen kann. Im übrigen tragen ‚Anons‘, Mitglieder von Anonymus, bei ihrem Auftreten im ‚Meatspace‘ oft auch Masken, und zwar Guy Fawkes-Masken nach dem Vorbild von V for Vendetta:
(Bildquelle: Vincent Diamante)
Online entspricht der Maske das Kürzel ‚Anonymous‘. Um das zu sein, was die Maske ‚Anonymous‘ repräsentiert, muss ich sie mir aufsetzen. Ich muss keine Mitgliedanträge ausfüllen, ich muss nicht die anderen MaskenträgerInnen um Erlaubnis bitten, die Maske aufsetzen zu dürfen – und dies unterscheidet Anonymous von den diversen Geheimbünden – ich muss lediglich bereit sein, meine Identität aufzugeben (wer auf 4chan mit Namen versucht aufzutreten, wird übrigens als ’namefag‘ gedisst).
Um den 30. November und 1. Dezember 2010 intervenierte 4chan-Gründer moot auf seiner Website – der Text jedes Posts wurde automatisch gelöscht und durch den Text „PUDDIPUDDIPUDDIPUDDIPUDDIPUDDIPUDDI“ etc ersetzt. Die UserInnen konnten nur noch über die Bilder kommunizieren – mehr als je zuvor war man nun noch ’nur Anonymous‘. Eine viel zu lesende Reaktion auf 4chan war entsprechend nicht etwa Wut, sondern: Dankbarkeit. Der folgende Text wurde von mir aus einem Bild abgetippt, das komplette Bild findet sich darunter und ist längst schon wieder gelöscht auf 4chan – der Autor ist Anonymous (hehe):
In the past few months, we’ve watched /b/ turn into a shitty version of facebook, filled with morons that post more than they lurk, and ignorant to the fact that what makes /b/ great is that when you’re here, you are not you. You are anonymous. / Moot is the only one that had both the understanding and the ability to chemo the cancer. The understanding in that he recognized that the answer wasn’t to flood cancerous threads with gore, but to take away your ability to post your idiotic opinion, wait 30 seconds, then post it again. And the ability, obviously, because, after all, this is his site. / I hope it stays like this forever. […] Tl;dr Thank you Moot. You are the oncologist.
Warum gendern Anonymous nicht?
Diese Frage steht stellvertretend für alle Fragen, die von der Annahme ausgehen, dass Anonymous, da es auch gegen Internetzensur ist, zu den ‚Guten‘ gehört und die sich dann daran stoßen, dass z.B. auf 4chan soviele nackte Frauen in z.T. erniedrigenden Posen zu sehen sind oder die annehmen, Anonymous müsse seine Aufforderungen nicht nur an Gentlemen, sondern auch ebenso an Ladies stellen:
(Autor des Bildes: Anonymous, gefunden auf TheNextWeb
Wenn attac nicht gendern, darf man sich zurecht beschweren. Anonymous lässt sich jedoch nicht vereinnahmen, weder für das, was „wir Nerds“ bzw. auch „wir Gutmenschen“ (ich verwende diesen Begriff inkl. „wir“, weil ich von denen, die diesen Begriff ohne Anführungszeichen verwenden, immer mal wieder als solcher wahrgenommen werde) für gut und richtig befinden, noch für solche Praktiken, die kriminalisiert werden. Im Fall von Anonymous geschieht nur dann etwas, wenn sich ausreichend Personen mit hoher Web- bzw. IT-Kompetenz finden, um etwas in Gang zu bringen. Und wenn Anonymous auftritt, dann mit maskulinen Repräsentationsformen: im Anzug, als Guy Fawkes. Weil Anonymous weiß, dass man einem maskulinen Auftreten mehr Respekt zollt als einem femininen. Insofern wäre es hier nicht angebracht, von „Ladies and Gentlemen“ zu reden – diese Rede adressiert die Maske und was sie ermöglicht zu tun und zu sagen, nicht den/die Menschen dahinter.
Bin ich Anonymous?
Anonymous ist dezentral organisiert, aber zugleich auch heterogen. Es sind vermutlich nur relativ wenige Mitglieder von Anonymous in der Lage, Dinge wie den Precision hack durchzuführen, oder Umgebungen wie einen LOIC zu modifizieren, um sie für DDoS-Attacken einzusetzen. Dem kommt jedoch eins der Grundprinzipien der Digitalen Welt laut Bruce Schneier entgegen: „Cyberspace is different because skill can be encapsulated into software.“ Von den Leistungen der Minderheit können viele profitieren, und Hacken ist nicht alles: Auch das Generieren von Aufmerksamkeit gehört zu den Aufgaben, die eine Ad hoc-Bewegung leisten können muss.
Auf dieser Ebene darf sich dann jedeR einzelne fragen, der John Perry Barlows Kriegsparolen weitergibt, der über #leakspin etc. twittert, inwieweit er nicht selbst ein Teil von Anonymous ist, selbst wenn es an den äußersten Rändern der Peripherie ist. Einer solch breiten Definition muss man nicht zustimmen. Wenn ich aber 4chan aufrufe und dort als Anonymous poste, und sei es nur zum Test, bin ich dann schon Anonymous? Vermutlich habe ich mit meinem Post ja dazu beigetragen, dass der Thread auf den ich reagiert habe, nun etwas länger lebt. Und laut Signatur bin ich in der Tat selbst schon Anonymous geworden.
Wie oben angekündigt:
Die Manuskriptfassungen von zwei Artikel stehen hier zur Verfügung, wobei der erste vermutlich eingängiger ist – der erste Abschnitt stellt den Kontext der Tagung „Medialität der Nähe“ her, wer es einfacher haben will, beginnt beim zweiten Abschnitt (Seite 5). Der zweite Artikel entstand im Kontext einer medienwissenschaftlichen Tagung zu Körperlichkeit, Flüchtigkeit und Speicherung, entsprechend abstrakt mag er hier erscheinen. Außerdem habe ich die Präsentation zum Vortrag auf den der erste Artikel basiert, um die jüngsten Ereignisse erweitet – so ist er zugleich die bildliche Illustration zum oben ausgeführten.
Herwig, Jana, „‚Post your desktop!'“ – Analyse eines Sonderfalls der Verhandlung von Nähe und Identität im Web“, in: Media and Proximity / Medialität der Nähe, Tagungsband der Siegener Graduiertenschule Locating Media, erscheint 2011.
-> Download
Herwig, Jana, „Fluktuierende Kollektive, lebendiges Archiv: Semiologische Praktiken im Imageboard 4chan“, in: Christine Ehardt/Daniela Pillgrab/Marina Rauchenbacher/Barbara Alge (Hg.): Inzenierung von „Weiblichkeit“. Zur Konstruktion von Körperbildern in der Kunst, Wien: Loecker 2010 (im Erscheinen).
-> Download
Außerdem noch empfohlen: ein Beitrag von mir im aktuellen WIENER, Nr. 352, S. 60-62. EDIT: Und weil Nr. 352 jetzt eh nicht mehr in der Trafik liegt, hat die WIENER Redaktion den Artikel aus aktuellem Anlass auch online gestellt. Voilà: Das Experiment Anonymität.
(I’m also working on an English language article still waiting for feedback from the editors – mail me if you’re interested in a copy).
Sonstige Ressourcen:
jetzt.de (Dirk von Gehlen) – Das Alphabet des digitalen Krieges (Säbelrasseln auch in der Sprache der Medienberichterstattung)
Twitter-Ticker zur Operation Payback (Anon-Accounts)
Max Kossatz – Wikileaks, Anonymous und Operation Leakspin, eine Erklärung
The Guardian – Inside Anonymous: tales from within the group taking aim at Amazon and Mastercard
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zwei anmerkungen dazu: ich find den verweis auf „Egregore“ in einem interview mit (möglichen?) anonymous-leuten interessant.
spannend ist auch die art und weise, wie gerade mögliche targets für die „operation payback“ im IRC besprochen werden, meinungsfindung unter 2500 leuten, ebenfalls ist der einsatz von PiratePad (eigentlich ein vereinfachtes google-gave), z.b. für interviews und gemeinsames texteschreiben sehr interessant, irgendwie ein unibrennt ohne uni und damit ohne audimax und damit ohne symbolik.
PS: hier die aktuellste version des anonymous-manifesto.
PPS: sollte natürlich google-wave, nicht gave heißen 🙂
Hast Du die „Presseerklärung“ von Anon Ops schon gelesen? Gibts hier: http://dump.no/files/467072ba2a42/ANONOPS_The_Press_Release.pdf
Dumm: Der Verfasser hat leider vergessen, seinen Klarnamen aus den Dokument-Eigenschaften zu löschen.
Danke – das war dumm. Andererseits: Ob es sein Klarname war? Arbeitsrechner? Fatal!
@daniel auch ist nicht klar wer den text geschrieben hat, er/sie hat nur ein pdf daraus gemacht 🙂 wenn es, wie jana schon richtig sagt, überhaupt der richtige rechner ist…
Übrigens: Trotz um ein halbes Dutzend RTs zeigt der Tweet-Counter am Blogpost noch immer 0 an – unterdrückt WordPress oder wer das Plugin gebaut hat #wikileaks Tweets? Noch mehr Verschwörungsmaterial1!
EDIT: Ein Tweet von mir,
vierfünf manuelle Retweets und sieben native. Alle mit den Hashtags #wikileaks und #leakspin – angezeigt werden nach wie vor null Tweets.EDIT: Ha, doch nix mit der Verschwörung! 6 von 12 sind nach 6 Stunden mittlerweile aufgetaucht.
Ich weiß gar nicht, ob man überhaupt von Anonymous Mitgliedern sprechen kann. Anonymous ist mehr der Schirm unter dem alle möglichen „Initiativen unterschlupf finden. Der Vergleich mit unibrennt passt ganz gut. Andererseits zeigt die Operation Payback, dass es dann doch sowas wie ein Anonymous Command gibt. Das definiert sich aber so wie ich das sehe zum Großteil durch technische Kompetenz und Bereitstellung der Hard- und Software wie IRC Server, Radio, LOIC etc…..
@Gerald Wir verwenden, glaube ich, lediglich verschiedene Definitionen von Mitgliedschaft – oben habe ich ja geschrieben, dass man keinen Mitgliedsantrag ausfüllen muss. Was du als Schirm bezeichnest, habe ich als Maske bezeichnet. Siehe auch den letzten Punkt „Bin ich Anonymous?“ (breite Definition)
Der Vergleich mit #unibrennt hinkt für mich, weil damals die Basis war, dass alle, egal wo sie politisch stehen, von der Bildungsmisere betroffen waren. Wenn es einen gemeinsamen Nenner gibt für Anonymous, ist der m.E. „We did it for the lulz“. Ist selbst verankert in der MEssage to Scientology („for the good of mankind, and our own enjoyment“)
Der Idee von einem Command bei Anonymous widerspricht zumindest Anonymous selbst (siehe die Pressemeldung). Manovich würde jetzt hier vermutlich ergänzen: „Software takes Command“.
Interessant.
Ich sag jetzt mal ganz frech: anonyme Einzelkämpfer können gemeinsam destruktiv wirken, ohne sich lang und breit vorzubereiten oder sich zu kennen. Der gemeinsame Nenner ist die Möglichkeit der Destruktivität („ich kann es!“) und die „moralische Rechtfertigung“ („wie du mir/uns/ihm, so ich dir“). Der Vergleich mit #unibrennt ist nicht so hinkend, wenn die Sache eskalierte und der Grund-Tenor ausgegeben wäre: „fackelt das parlament ab“. Innerhalb einer begrenzten Aktion wird es sicherlich ein „command“ geben, das aber mehr organisatorisch denn autoritär handelt. Denk ich mal.
@Richard Da hast du jetzt, ob bewusst oder nicht, Anonymous‘ Motto paraphrasiert: „Anonymous – Because none of us are as cruel as all of us“.
Und dies scheint mir sehr zutreffend:
Für mich hinkt der #unibrennt Vergleich aber immer noch, eben bloß weil, naja, dieser Grundtenor eben nicht ausgegeben wurde. Bei Anonymous klingen solche Drohungen aber ganz anders (transkribiert im Post your Desktop-Artikel:
Auf 4chan ist moot natürlich der Ruler, stellt die Infrastruktur zur Verfügung und was er mit dieser macht, müssen die User sich gefallen lassen (und tun sie mit einer gewissen Lust sogar) – was Anonymous veranstaltet, gibt er allerdings nicht vor. Wenn ich gerade die Zeit hätte, würde ich alle weiteren Diskussionen über IRC mitverfolgen, um zu sehen, wie das dort abläuft. Habe allerdings nur immer mal Mikrozeit, oder allenfalls mal für anderthalb Stunden zwischendurch, derzeit.
EDIT: Hier noch ein Tweet von Anon_Ops als Beispiel dafür, wie Anon zu „Opinion Leadern“ steht:
Quelle.
Hab jetzt gerade die Pressemeldung von „Anonymous“ gelesen. Da frage ich mich, wer diese geschrieben und abgenickt hat. Schätze, es wird schon eine „informelle“ Führung geben (oder wenigstens Leute, denen die anderen vertrauen).
Die Pressemeldung ist perfekt geschrieben. Da könnten sich Regierungs-Pressesprecher ein Beispiel nehmen. Jetzt muss ich nur noch herausfinden, wer dieser Evgeny Morozov ist 🙂
@richard keine informelle führung, ganz, ganz sicher, technische hindernisse, die aber einfach zu überwinden sind, damit nicht alle „kiddys“ mitreden, ansonsten kein leadership.
evgeny morozov hat 2009 auf der ars einen tollen vortrag über slacktivism gemacht, darauf bezieht sich wohl das.
@jana ntürlich hinkt der vergleich mt unibrennt, aber trotzdem find ich ihn passend, wobei diese entkoppelung von einem realen raum das ganze viel entspannter und interessanter macht, dadurch wird ein ganz anderer sozialer druck aufgebaut, physische ausdauer, um an einem ort zu sein, zählt dann eben nicht mehr.
auch ist die aufteilung des IRC in verschieden channels sehr gut, einer wo alle dampf ablassen können, einer wo die freaks sind, einer wo targets besprochen werden, etc., etc. eben keine konfrontation oder streit um eine bühne in real life.
@max klar, ich bin auch unwillig, unibrennt und anonymous ineins zu setzen, weil mich gerade das spezifische von anonymous interessiert – z.b. das entkoppeln vom realen raum, und die kompensation aller möglichen voraussetzungen einerseits durch IT-skills, aber auch durch die schiere masse an userInnen.
@richard wenn die einigung auf eine pressemeldung über irc nur im ansatz funzt wie auf 4chan, dann werfen einfach alle möglichen userInnen ihre vorschlaege in die runde, andere machen ggfls. varianten und so evolviert dann letztlich was gutes.
@jana klar, deswegen meinte ich ja auch unibrennt ohne uni 🙂 will es auf keinen fall gleichsetzen.
Ganz so commandless ist es dann aber eben doch nicht. Das ergibt sich aus den technischen Bedingungen. Zu allererst gibt es da mal notwendigerweise IRC Admins, also jene, die vom Besitzer des Servers dazu gemacht wurden. Diese Admins bestimmen letztlich auch das target, weil es im Channel Topic vorgegeben wird und die LOIC es sich von dort im Hive Mode holt. Das wars dann aber auch schon mit den Kommandostrukturen. Was passiert, wenn sich diese Strukturen auflösen, weil die Gegenseite den irc ddosed sieht man die letzten 24h.
Das möchte ich mir bei Gelegenheit im Detail ansehen, ist sicher spannend – warum ich da nicht von Kommandostrukturen sondern von Effekten den Infrastruktur reden wollte ist akademische Korinthenkackerei, wird irgendwann mal in einem anderen Kontext ausgeführt;-)
Nachdem der entsprechende WIENER nicht mehr in der Trafik liegt, hab ich mir erlaubt, Deinen Artikel (auch aus aktullem Anlass) einfach hier online zu stellen, damit ihn jedermensch nachlesen kann. lg, n.
@nic_ko danke dir !
Ganz nett geschrieben, aber was ist mit den „negativen“ Aktionen. Dadurch das du nur die „Gutmensch“-Aktionen von Anon erwähnst wirkt der Artikel etwas einseitig.
@Faust ?
In 1., 2. und 4. sind die negativen Aktionen und Aspekte diskutiert. Zur Vertiefung siehe die verlinkten Artikel.
@Faust was sind den die „negativen“ Aktionen? Bzw. was definierst du als „negative“ Aktion?
@max ich würde dazu ddos-attacken, Sexismus, Rassismus, diskriminierung zählen, das sind die, die ich erwähnt habe.
@jana ist schwierig, ddos-attacken würde ich nicht unbedingt dazu zählen, alles andere ist klar.
@max wollte grad noch in Klammern nachtragen „(jetzt mal unabhängig von der Frage des targets)“ – das target bestimmt wohl die meinung, die man hat. Sieht man von dieser ab, sind es Angriffe auf eine Infrastruktur, bei der man nicht weiß, wer noch alles mit dran hängt.
ich vergleiche es eher mit sitzstreiks als mit angriffen.
Das hat der Horx gestern auch gesagt bei #imzentrum – Vergleich hat was, Straßen sind ja auch Infrastrukturen, wo die Anwohner dann mit betroffen sind.
hab das gestern zum glück nicht gesehen, möchte eigentlich nicht mit herrn horx verglichen werden 🙂
Hallo Jana. Wieso hast Du unseren Kommentar nicht zugelassen?
Anonymous hat keine Zugehörigkeit, keine Zentrale und keine Führer.
Anonymous ist der Gedanke, die Erkenntnis, die Entscheidung und die Tat zur Freiheit.
Anonymous ist unser Bewusstsein entgegen Eurer Kontrolle, Eurer Ungerechtigkeit und Euren Missbrauch.
Anonymous ist zutiefst menschlich. Ihr könnt Menschen unterdrücken, aber niemals die Idee der Menschlichkeit und Freiheit.
Anonymous ist Teil des Systems. Je schwächer Ihr werdet, desto stärker werden wir. Das ist Eure und unsere Verbindung.
Ihr seid Anonymous ohne es zu wissen oder nur zu ahnen. Das ist das Ergebnis unseres Widerstandes.
Erwarte uns. Wir sind viele. Wir vergessen nicht.
@anon alle eure kommentare sind zugelassen – ihr hattet beim letzten mal hier kommentiert (hat mich eh gewundert):
https://digiom.wordpress.com/2010/08/10/must-read-gerichtsprotokoll-der-einvernehmung-von-moot-a-k-a-christopher-poole/#comment-3402
http://pastebin.com/ZjNmZAAP
#
SHORT NOTE ON ALEX TAPANARIS, ANONYMOUS SPOKESMAN
#
#
++ ALEX TAPANARIS HAS BEEN ARRESTED ++
#
++ WEB SITE http://WWW.ALEXTAPANARIS.COM TAKEN OFFLINE ++
#
++ MORE INFO TO COME ++
That was the name contained in the properties of the press release PDF – but I doubt that Anonymous has a spokesman, see also: http://www.guardian.co.uk/technology/blog/2010/dec/13/hacking-wikileaks
http://www.guardian.co.uk/technology/blog/2010/dec/13/hacking-wikileaks
Ohoh, Du hattest den Link schon … Sorry, war nett gemeint ,)
@opalkatze den link kann man gerne doppelt posten, bestätigt nur, wie gut er ist:)
danke auch für shout-out auf carta.info – greatly appreciated!
hallo jana!
hab deine zwei manuskripte noch nicht gelesen, möchte das aber noch nachholen. poste jetzt trotzdem, was mir dazu einfällt. falls es in den manuskripten schon beantwortet ist, pls ignore…
1. „Weil Anonymous weiß, dass man einem maskulinen Auftreten mehr Respekt zollt als einem femininen.“
das erscheint mir auch als eine form der vereinnahmung, wenn es nicht anonymous-quellen (das wäre auf englisch schon fast so lustig wie die geschichte von odysseus), interviews o.dgl. gibt, die deine vermutung bestätigen.
2. handelt es sich dabei nicht auch um eine form des slacktivism? gäbe es für die sache ähnlich viele unterstützer, wenn man dazu auf die straße gehen müßte, vielleicht noch bei dem wetter? entsteht der erfolg dadurch, daß man etwas „verruchtes“ machen kann, sich wie ein hacker fühlen kann, ohne das technische wissen dafür mitbringen zu müssen? wird ja nicht als bürgerliche form der protestbeteiligung wahrgenommen… entsteht daraus das „enjoyment“?
als konsequenz werden die technisch weniger versierten ja auch erwischt.
3. was unterscheidet diese angriffe von lynchjustiz? hier wird anderen ein (eventuell verschmerzbarer) schaden als bestrafung (es werden ja gründe für das vorgehen angeführt) zugefügt, in der annahme einer eigenen moralischen überlegenheit, ohne hinzunehmen, daß es entweder nicht ungesetzlich ist, was die angegriffenen getan haben, oder aber erst durch ein gericht geklärt werden müßte.
so sehr ich die beweggründe nachvollziehen kann, frage ich mich aber, wie ich über so einen digitalen mob urteilen würde, wenn ich das nicht könnte.
und der hinweis darauf, daß es nicht um die beeinträchtigung der kritschen infrastrukturen sondern nur des öffentlich auftritts geht, ist spätestens bei amazon reine fassade (oder naiv); einem online-händler im weihnachtsgeschäft den öffentlich auftritt auszuschalten ist definitiv ein angriff auf die kritische infrastruktur des unternehmens. oder wäre es gewesen, wenn er (erfolgreich) stattgefunden hätte.
ich glaube, in unserer gesellschaft gibt es einen schmalen grat der moralisch akzeptierten selbstjustiz, im sinne eines sich-selbst-über-die-gesetze-stellen und in einem aufwaschen zu entscheiden, was richtig ist, wer sich dagegen verschuldigt und dann auch gleich bestraft wird. je nach politischer gesinnung und moralischen vorstellungen liegt der irgendwo zwischen dem tyrannenmord, der zwar meiner ansicht nach auch kein no-brainer ist, sondern viel raum für diskussionen läßt, den manche sogar als pflicht sehen würden, und dem gesetzwidrigen angriff auf tierquäler oder umweltsünder. ab hier wird die unterstützung deutlich dünner und beschränkt sich oft auf ein zustimmendes nicken am stammtisch; aber selbst einfachste formen des mittuns, wie unterschreiben einer online-petition funktionieren nicht mehr, und mainstream-medien bekommt man kaum noch auf seine seite.
die frage inhaltlich: sind wir hier schon so weit, daß wir aus moralischen gründen gegen das gesetz handeln müssen, um ein höheres gut zu verteidigen? wenn ja, welches? oder glaubt das das kollektiv nur? oder ist die motivation eine ganz andere (vielleicht eine parodie auf moralisch entrüstetes vorgehen zum eigenen amusement über die reaktionen)?
fragen auf der abstraktionsebene: was ändert sich durch diese formen der partizipation?
werden urteile anders gefällt? verschieben sich die vorstellungen von ethik und moral, als gegenstand der reflexion zum eigenen handeln, oder inhaltlich durch neue bewertungen?
entsteht ein gespür für die eigene macht?
was für einflüsse führen dazu (aktuelle politische lage, wirtschaftskrise, das vielleicht empfundene gefühl der machtlosigkeit gegenüber einer korrupten oberkaste, wikileaks selbst, indem es den robin-hood-reflex bei den armen, geknechteten bauern ausgelöst hat und dadurch seine eigene unterstützung befeuert…)?
was für hierarchische strukturen entstehen hier? wer hat die entscheidung getroffen, amazon nicht und andere schon zu attackieren? warum? was hat dazu geführt, daß im auftrag zur fax-attacke darauf hingewiesen wurde, diese „anständig“ durchzuführen? entsteht hier ganoven-ehre? 🙂
@hero zu fragen 2 und 3:
es wurde bis jetzt noch niemand „erwischt“, ein holländer wurde verhaftet (aber bereits wieder freigelassen) da er ein bot-net betrieben hat, etwas völlig anderes als die aktion „operation payback“, bitte hier nichts durcheinander bringen. auch gab und gibt es genügend Demos „in Real Life“ dazu, siehe z.b. der Aufruf für morgen, samstag zur „Operation Paperstorm“, wo weltweit, in vielen städten, proteste stattfinden werden.
Auch kann man Protesten „in Real Life“ nicht das enjoymend absprechen, somit hinkt dieser vergleich.
zu 3. auch hier bitte nicht auf den schwachsinn verlassen, der in der (vor allem österreichischen) Presse dazu steht. Amazon wurde nie angegriffen, dazu gibt es sogar offizielle Statements von Amazon und von Anonymous, der Ausfall bei Amazon war ein Hardwarefehler. Auch gib es bis jetzt keine einzige schadensmeldungen oder anzegien Aufgrund der „Operation Payback“, nirgendwo, nix.d.h. Anonymous bewegt sich nicht im Illegalen, sind keine hacker oder ganoven und es gibt keine selbstjustiz.
Und: natürlich verschieben sich die vorstellungen von ethik und moral, aber das tun sie doch andauernd, oder? und das ist ja auch noch keine wertung ob gut oder schlecht, oder?
1- @hero Da dies ein Blogpost ist und kein Artikel, ist auch manches nicht in akademischem Stil formuliert. Was hier gemeint ist, setze ich als so bekannt voraus, dass es nicht belegt werden muss: Im westlichen (und fast allen anderen) Kulturkreisen sind in der Regel maskuline, nicht feminine Repräsentationsformen mit Macht assoziiert. Zum besseren Verständnis hier die Übersetzung in akademischen Sprech: „Anonymous zeigt mit der Wahl männlicher Repräsentationsformen ein Bewusstsein für Machtgesten, welche über feminine Repräsentationsformen kaum in gleicher Weise transportiert werden könnten.“
2. Morozovs Vortrag auf der Ars electronic hat mir gefallen, slacktivism halte ich dabei für keinen brauchbaren Begriff, da er nur aus der Beobachterperspektive funktioniert und eine Wertung mit rein bringt („Die halten sich für Aktivisten, sind aber in Wirklichkeit gar keine“ – wer will definieren, was jetzt richtiger Aktivismus ist und was nicht? Was zu einem Zeitpunkt Aktivismus ist, kann m.E. nur aus der Praxis selbst hervorgehen – nicht aus normativen Vorstellungen).
3. Die Frage mit der „Lynchjustiz“ habe ich weder gestellt, noch habe ich eine solche verteidigt. Dass Anonymous eingreift und bestraft zeigt m.E. aber nur ein weiters Mal die Verwandtschaft zu den (vorwiegend Männern vorbehaltenen) Maskenbünden traditioneller Religionen, die auch eingreifen und strafen. Sie ‚dürfen‘ dies, weil sie im Rahmen des Rituals über den Regeln und außerhalb der Gesellschaft stehen – ‚dürfen‘ ist hier nicht zu verwechseln mit ‚erlaubt im Sinne des Gesetzbuchs‘. Siehe erster Artikel, letzter nummerierter Abschnitt.
@max
sorry, das hab ich nicht mitbekommen. dachte, daß der 16-jährige aus den niederlanden deswegen verhaftet wurde. siehe dazu auch den deutschen wikipedia-artikel zur operation payback. auch torrentfreak berichtet von einem fall der anklageerhebung (http://torrentfreak.com/behind-the-scenes-at-anonymous-operation-payback-111015/) auf grund der früheren ddos-attacken gegen copyright-enforcer.
slacktivism – die ersten angriffe wurden angeblich nur mit 400 usern durchgeführt, inzwischen sollen es mehrere tausend sein. mal sehen, wer morgen aller auf der straße ist. 🙂
ich weiß, daß amazon kein ziel einer „offiziellen“ anonymous-ddos-attacke war. hätte es eine erfolgreiche gegeben, wäre der finanzielle schaden jedenfalls groß gewesen.
und ich hatte den eindruck, daß der angriff auf amazon sehr kurzfristig abgeblasen wurde. siehe auch hier: http://www.futurezone.at/stories/1664837/; vielleicht zu einem zeitpunkt, wo er bereits im gange war und man erkennen konnte, daß es nicht gelingen wird, amazon vom netz zu nehmen. der gleichzeitige hardware-ausfall bei amazon europe (wie oft pro jahr passiert das sonst noch in so einem ausmaß, daß man es als webnutzer mitbekommt?) reicht jedenfalls für meine persönlichen verschwörungstheorien 🙂
der begriff der ganoven-ehre mag hier überzogen sein, aber die motivation interessiert mich doch. war es, wie aus dem pressetext herauszulesen ist, angst um die eigene glaubwürdigkeit und reputation (dann wäre ja auch anzunehmen, daß man eine unterstützung in der öffentlichen meinung für die anderen angriffe vermutet, sonst wären diese ja auch unterblieben), oder ging es darum „höheren idealen“, oder wie auch immer man das nenne möchte, zu folgen; hielt man es also selbst für unethisch.
bei mastercard, visa, paypal, der postfinance-bank kann man natürlich darüber diskutieren, ob ein schaden entstanden ist, und wie groß er ist (lt. dieser meldung wurde bei paypal kurzzeitig auch die infrastruktur für zahlungen attackiert: http://wissenbelastet.com/2010/12/15/wikileaks-anonymous-und-operation-payback-eine-erlaeuterung/). für eine bank, für deren geschäft das vertrauen der kunden in die integrität der systeme essentiell ist, mag das nicht so ohne sein…
das ist aber auch völlig unerheblich.
strafbarkeit entsteht durch die gesetzesübertretung und nicht durch das ausmaß des schadens. dieses wird allenfalls in der bemessung der strafe berücksichtigt.
und selbstverständlich sind (d)dos-attacken strafbar.
ö: http://www.futurezone.at/stories/1664848/
d: http://www.internet-strafrecht.com/distributed-denial-of-service-ddos-attacken-strafbar-oder-nicht/
ich glaube nicht, daß es geltende juristische meinung ist, daß ddos-attacken, die nach ansicht vieler unter die cybercrime-convention fallen, dem schutz der demonstrationsfreiheit unterstehen.
dadurch ist für mich auch klar, daß hier selbstjustiz geübt.
ob ich das gut oder schlecht finde, spielt keine rolle, weil es beim nächsten mal vielleicht gegen etwas geht, was mir wichtig ist.
daß der zweck nicht die mittel heiligen kann, hat man schon ganz anderen vorgeworfen 🙂
und wenn ich mich auf den standpunkt stellte, daß es diesmal ok ist, weil es gegen die bösen geht, hieße das ja, daß ich mich nicht nur gegen das gesetz wende, sondern mir auch noch anmaße, nicht nur für alle entscheiden zu können, was richtig oder falsch ist, sondern sie dann auch noch mit den konsequenzen dieser entscheidungen zu beglücken.
ethik & moral – ich weiß schon, daß das ständig passiert und wollte damit ja auch keine wertung vornehmen. die frage ist nur, ob technische möglichkeiten etwas an der art und weise oder der häufigkeit, mit der solche gesellschaftlichen maßstäbe überdacht werden, ändern.
@hero kommentar war wg. den vielen links in der spam queue – hier isser nun
momentan keine zeit zum genauen lesen, der zuletzt geäußerten vermutung, dass technische möglichkeiten und überarbeitung der ethischen maßstäbe zusammenhängen würde ich mal intuitiv zustimmen, deswegen gibt es (meine annahme) ja auch disziplinen wie technikfolgenabschätzung (no?)
@jana
ad 1) mir geht’s nicht darum in blogposts wissenschaftlich zu werden, sondern darum, ob sie sich der machtgesten tatsächlich bewußt waren; ob es eine bewußte entscheidung war, nicht zu gendern, ob es dazu diskussionen gab, und man sich dann dagegen entschieden hat, vielleicht schon drauf und dran war, und den aufruf dann doch auf nur männlich umgeschrieben hat, um eine bestimmte wirkung zu erzielen. die wirkung ist ein anderes thema, das hier unbehandelt bleiben, oder als bekannt vorausgesetzt werden kann. aber die frage der motivation dahinter ist interessant.
ad 2) d’accord. auch wenn man daraus, daß es keinen absoluten maßstab dafür gibt, was aktivismus ist, nicht unbedingt ableiten kann, daß man keine aussage darüber treffen kann, ob jemand ein aktivist ist, oder nicht. es bleibt dann aber natürlich eine sehr subjektive einschätzung.
nach einem adventmarkt-besuch am letzten wochenende trübt vielleicht noch immer die aversionen auslösende vorstellung von menschen, die überzeugt davon sind, daß sich moralisch richtiges handeln in ihrer person und der biologisch&vergan zubereiteten kürbissuppe manifestiert hat, um ein segen für die restliche welt zu sein, meine sinne 🙂
ad 3) klar, für mich ist diese frage allerdings sehr spannend. deswegen wollte ich sie hier aufwerfen – im sinne deiner aufforderung fehlende fragen zu ergänzen. (wobei ich damit nicht sagen möchte, daß du sie unbedingt im kontext der medienwissenschaften diskutieren müßtest, das geht schließlich weit in andere felder hinein…)
ich denke, daß es in solchen situationen auf dauer immer nur die lösung gibt, diese „neuen“ vorstellungen (so es denn welche sind) in den gesellschaftlich akzeptierten wertecanon zu integrieren oder zu verwerfen. sie können nur schwer parallel existieren. und daher ist interessant, was passieren wird.
genauso, wie es immer spannend ist zu sehen, wie ein „der zweck heiligt meine mittel“-vorgehen von unterschiedlichen gruppen in der gesellschaft angenommen wird; von regierenden, mächtigen, underdogs, medien, bildungseliten usw., weil das vielleicht zeigt, daß wertvorstellungs-gräben bestehen, wo keine vermutet wurden, oder umgekehrt. was, wenn sich diese gräben zwischen volk und regierung oder bürgern und gesetzen auftun, immer die legitimationsfrage aufwirft.
und wenn man das thema ganz groß diskutieren will, stellt sich auch die frage, wie undemokratisch man werden darf/kann/soll/muß, um als richtig empfundene moralvorstellungen durchzusetzen. beispiele wie der tyrannenmord, oder die todesstrafe, die sich nach einer abscheulichen kindesvergewaltigung und entsprechender berichterstattung per volksentscheid sicher in den meisten ländern sofort wieder einführen ließe, gibt’s ja genug.
@jana-17.12.
ja, das mag eine erklärung für die existenz solcher disziplinen sein 🙂
aber natürlich ist nicht überall, wo man einen einfluß vermuten würde, auch einer vorhanden. manchmal werden ja auch unabhängig vom medium verhaltensmuster aus der offline-welt übernommen, und sind dort bereits erklärt worden.
aber ich vermute auch, daß da inzwischen eine komplexe wechselwirkung besteht.
@hero (ad 1) so linear, wie du die entscheidungsprozesse von Anonymous dir vorzustellen scheinst („daruf und dran sein und sich dann noch mal umentscheiden“), sind sie m.e. kaum. schon aufgrund der kollektivität, die dahinter steht. in einzelnen manifestationen kann man eine art selbtreflexivität und bewusstsein der eigenen gewalt bzw. macht feststellen z.b. im motto „because none of us are as cruel as all of us“ oder „/b/ – now you are stronger“. in _diesem_ sinne ist anonymous besser als diskurs denn als aktivistInnenbewegung zu verstehen (Operation Payback ist nicht gleichzusetzen mit Anonymous).
@Jana … Fragen – falls es weitere gibt, die man stellen sollte oder sonst etwas Wichtiges fehlt: …
Mich würde noch der ökonomische Rahmen interessieren in dem 4Chan existiert …
Thx, ja, wichtiger Aspekt, ist in beiden verlinkten Artikeln diskutiert, im ersten (Post your Desktop) ausführlicher.
Hier ganz kurz: Werbung (Werbekunden sind schwierig zu kriegen, v.a. Erotik-Seiten und Japan-Paraphernalia-Shops), Spenden werden nicht angenommen, Seite macht angeblich keinen Profit sondern deckt ebenso die Kosten, Moderatoren bekommen nichts, ab und an werden laut moot Developer mit der Umsetzung einzelner Arbeiten entgeltlich beauftragt.