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Wiener Wahlkater – und jetzt? Alles auf die Dummheit schieben?

11. Oktober 2010

Die vorläufigen Ergebnisse sind bekannt, durch die Briefwahlkarten mag sich noch einiges ändern, das Ergebnis der Wiener Gemeinderatswahl bleibt aber drastisch: SPÖ: 44,3 Prozent, FPÖ: 27,0, ÖVP: 13,3, Grüne: 12,2, BZÖ: 1,4, KPÖ: 1,2 – also keine Absolute der SPÖ mehr in Wien, deren einziger Vorteil aber sowieso nur noch darin bestanden hätte, eine Stadtregierung ohne ÖVP zu haben sowie sich das Lament der FPÖ ersparen zu können, es gäbe einen „Wählerauftrag“ eine rot-blaue Regierung zu bilden (was für ein Blödsinn).

Da ich FPÖ-WählerInnen, die sich als solche zu erkennen geben, praktisch nicht kenne, umgibt mich heute entsprechend v.a. Kommunikation von Leuten, die erschüttert sind. Auch keinen besonderen Spaß machen die Argumente, die man sich und dem Wahlvolk an den Tagen nach so einem Ergebnis um die Ohren haut.

Ungebrochen populär scheint die Ansicht, dass alles an der Dummheit der FPÖ-WählerInnen gelegen habe – alles Deppen (außer wir). Das mag die bequemste Erklärung sein, sie ist zugleich die perspektivenloseste. Im besten Fall werden FPÖ-WählerInnen als ‚ungebildet‘ klassifiziert, was den Kern in einigen Fällen womöglich besser trifft, aber auch nur, wenn man es nicht bei dieser Häme belässt, sondern von da aus Wege aus dieser Menschen- und Herzensbildungskrise entwickelt (und dabei kann es, bitte, nicht allein um das Setzen von sozialarbeiterischen Impulsen gehen nach dem Motto ‚Wir kochen zusammen İmam bayıldı und lernen so, dass MigrantInnen Menschen wie du und ich sind‘). Die Antwort ist m.E. tatsächlich Bildung, aber nicht kurzfristig gedacht, sondern als langfristig angelegtes Dauerprojekt (und Bildungsbudgetkürzungen werden da nicht helfen). Davon bin ich überzeugt: Gut ausgebildete Personen mit beruflichen Perspektiven haben vermutlich weniger Angst, sind selbstbewusster, müssen nicht so sehr nach anderen treten, nicht so sehr um den eigenen Abstieg fürchten, sich (denn es sind ja nicht nur urösterreichische Recken, die der FPÖ zugeneigt sind) nicht so sehr von der nächstfrischeren Generation MigrantInnen abgrenzen.

Und von da aus kann man fließend den Übergang finden zu einer anderen Position und der Frage, ob man sich der Angst der FPÖ-WählerInnen überhaupt annehmen darf. Stilisiert man sie nicht sogar zu ‚armen Hascherln‘ hoch, wenn man auf ihre Ängste z.B. vor sozialem Abstieg verweist? Sitzen denn nicht mehr als genug von denen feist im Bürgertum, eng im Herzen, unflexibel im Hirn? Eine banal-linke Position lautet hier: Alles Rassisten. Rassismus verdient kein Verständnis. Ende der Debatte. Es geht aber nicht um Verständnis für Rassismus, es geht darum zu verstehen, was die Ursache für Rassismus ist (jenseits der Schutzbehauptung, dass die FPÖ-WählerInnen einfach zu dumm oder vielleicht sogar auch zu bösartig sind).

Was die Debatten sowohl in Deutschland (Stichwort: Sarrazin) als auch in Österreich zeigen ist, dass viele Menschen das Gefühl haben, dass man nun endlich mal darüber reden könne, sich im eigenen Lande nicht mehr heimisch zu fühlen – ‚Sarrazin sagt’s, wie es ist‘, so wird sein Pamphlet trotz höchst fragwürdiger Genetikbehauptungen aufgewertet, ‚endlich traut sich mal einer‘.

Zu beachten gilt aber: Dieses Gefühl wird in Österreich bereits seit Jahrzehnten von rechts vorbereitet, die Diskursfigur der ‚unbequemen Wahrheit‘ wird perfekt von rechts bespielt, inkl. allfälliger NLP-Techniken rhetorischer Beinchenstellereien (z.B. einem TV-Moderatoren bei einer Rückfrage ins Wort fallen mit einem wiederholten „Lassen Sie mich bitte ausreden. Lassen Sie mich bitte ausreden“, um sich so zum Wahrheitssager zu stilisieren, den die Medien zum Schweigen bringen wollen). Die Stereotypie, mit der die Formeln bei Wortspenden aus der Bevölkerung wiederholt werden, deuten darauf hin, dass diese rhetorische Saat aufgegangen ist – der FPÖ ist es gelungen, die Unzufriedenheit der Bevölkerung zu kanalisieren, so dass nur noch das Thema Integration (bzw. aus FPÖ-Perspektive: Islam) übrig bleibt.

Und hier wird die Allianz besonders unheilig: Denn es ist ja keineswegs so, als ob man dieses Thema als ganzes vom Tisch fegen könnte, als ob man behaupten könnte, es liefe alles gut in Sachen Integration – da stockt so allerhand, und es gibt sie ja auch wirklich, die linke Schere im Kopf, die einem verbietet, das eigene Unbehagen zu äußern, wenn Frauen mancher Bevölkerungsgruppen nur in körperverhüllenden Sackgewändern auf der Straße zu treffen sind oder sich hilflos in der Arztpraxis nicht artikulieren können, weil sie die Sprache des Landes nicht verstehen (und auch hier kann die Antwort m.E. wiederum nur Bildung lauten, Bildung und Emanzipation).

Doch jegliches Reagieren und Relativieren der bewusst provokativen FPÖ-Statements führt zum Gegenvorwurf der Verharmlosung und festigt den FPÖ-Anspruch, als einzige die ‚Wahrheit‘ auszusprechen. Auch die Behauptung, die FPÖ-WählerInnen seien alle dumm, schwächt die FPÖ nicht im geringsten, im Gegenteil: Sie kann sich umso besser als die Partei, wo man noch verstanden wird, iterieren. Es trauen sich allenfalls weniger, in Umfragen zuzugeben, dass sie FPÖ wählen (und das FPÖ-Ergebnis lag letztlich sogar noch über den Werten der ORF-Umfrage vom Wahltag).

Wie arrogant kann man aber sein und bei 27% noch so tun, als handele es sich um einen bedauerlichen, hoffentlich aber vorübergehenden Irrtum von ein paar Schwachmaten, statt zum Schluss zu kommen, dass man die WählerInnen eben doch ernst nehmen muss? Nicht nach der Art einer Fekterisierung der Politik, bei der man prophylaktisch FPÖ-Politik betreibt (und z.B. ein paar Tage vor der Wahl noch einmal medienwirksam abschieben lässt), sondern indem man versucht, aus dieser unglücklich kanalisierten Angst vor Ausländern und ‚dem Islam‘ die vielfältigen Themen wieder herauszulösen, die alle vom Leitthema Anti-/Islamismus überdeckt wurden.

Wie Christoph Chorherr nach der Wahl auf seinem Blog schrieb: „Wenn ausschließlich “das Ausländerproblem” (auch so genannt) den Wahlkampf dominiert, und es kaum möglich ist (wir habens zumindest probiert) andere m.E ebenso wichtige Politikfelder wie Energie, Stadtentwicklung, Bildung zu diskutieren, dann profitiert davon die FPÖ.“

M.E. profitiert sie nicht nur davon, sie hat maßgeblich mit dafür gesorgt, und zwar über Jahre, dass kein anderes Thema so sehr die Befindlichkeit und Selbstwahrnehmung trifft, wie eben dieses – die übrigen Parteien hecheln längst hinterher oder versuchen, dagegen zu halten. Die Richtung gibt in beiden Fällen die FPÖ an. Und wie geht’s jetzt weiter? FPÖ-Wahlkampf hat wenig mit Politik und alles mit Eventplanung und Marketing zu tun – vor der Arbeit, die die voraussichtlich 28 FPÖ-Mandatare (zuvor: 13!) im Gemeinderat leisten werden, darf man sich begründet fürchten.

Womit geht’s jetzt weiter? „Ich befürchte, dass alle außer Strache im Match um die Migranten die Österreicher vergessen haben“, schrieb gerade Lou Hefner auf Twitter, und will einen da nicht gleich wieder der linke Impuls durchzucken? An ÖsterreicherInnen denken, red alert, uh ah, Patriotismusverdacht – von wegen. Nur wenn man so ein enges ÖsterreicherInnenbild hat, wie die Rechten es verfechten. Bitte, lernen wir doch, uns von deren Vorgaben zu befreien.

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30 Kommentare leave one →
  1. Thomas Thurner permalink
    11. Oktober 2010 12:32 pm

    Sarrazin rülpst – Bild rülpst nach – Familienministerin und Özdemir redet über Deutschenfeindlichkeit: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,722342,00.html das nenne ich Rechtsruck.

    Wenn jemand furzt, überlege ich mir nicht als ersten Schritt eine Behandlung für dessen Verdauungssystem, sondern gebe ihm zu verstehen, dass öffentliches Furzen unanständig ist.

    Faschismus ist keine Meinung, es ist ein Verbrechen.

    Cordon sanitaire – jetzt!

  2. 11. Oktober 2010 12:37 pm

    Vor lauter Dominanz der Dummheitskeule habe ich ganz die Faschismuskeule vergessen – noch so ein Schablonenargument, dass völlig von rechts usurpiert ist, danke für die Erinnung.

  3. 11. Oktober 2010 12:44 pm

    Ich bin jetzt mal pessimistisch.

    Die österreichischen Roten sind die strukturkonservativste und autoritärst denkende sozialdemokratische Partei, die ich persönlich etwas besser kenne (ich vergleiche zB mit den deutschen, britischen, niederländischen, skandinavischen Roten). Sie sind auf dem Weg dorthin, wie eine sozialdemokratische Partei im 21. Jahrhundert aussehen müsste (nach meiner Überzeugung: sozialliberal) noch kaum einen Millimeter weitergekommen – ja sie haben noch nicht mal so richtig erkannt, dass sie so eine Grundsatzdebatte und Grunderneuerung brauchen werden.

    Die Schwarzen stecken ähnlich fest, sind ähnlich ideologisch verhärtet, wobei ich da zumindest den Funken einer etwas grösseren Chance sehe, dass da mal eine Erneuerung von innen kommen könnte.

    Bei beiden ist die Chance nur minimalst. Warum? Sie sind personell blutleer. Sie haben einfach die intellektuellen Kapazitäten nicht mehr. Die negative Auslese, die meiner Überzeugung nach durch unser in vielfältiger Hinsicht zu autoritär und parteienzentriert geprägtes politisches System verursacht wurde, hat bereits gewirkt.

    Die Grünen hätten als einzige verbliebene Kraft die theoretische Chance (weil ihnen die entsprechenden Steuermittel zur Verfügung stehen) eine anderen Weg aufzuzeigen, wie Österreich aus der politischen Sackgasse rauskommen kann. Allein: sie werden ihn nicht aufzeigen. Sie haben andere – globale – Prioritäten. Und vor allem: sie haben dermassen viele Leute, die bei jedem nur entfernt an „rechts“ erinnernden Statement aber sowas von linksimpulsig durchzucken, dass der Diskurs auch weiterhin von der Strachepartie bestimmt werden wird. Denen beizubringen, dass Antifaschismus nicht die Lösung Österreichs struktureller Schwächen ist wird einfach nicht hinhauen. 25 Jahre Feldstudie sollten reichen, um das zu erkennen.

  4. 11. Oktober 2010 12:49 pm

    Es geht nicht ums rülpsen, es geht um das kaputtgesparte Bildungssystem in Wien und Österreich, dass in den 70ern so innovativ und ideenreich begonnen hat. Es geht um die nicht mehr verborgene Komplexität der Welt, die allen zugänglich ist und uns ständig vor Augen führt wie wenig der und die einzelne bewegen kann. Da kann man den Schluss ziehen, dass es notwendig ist sich zusammen zu schließen und so stärker bestimmte Anliegen vertreten zu können, oder den Schluß, dass es einen braucht der alles regelt, weil er stark dun brutal ist.

    Unser Schlusssystem hat die längste Zeit die gestärkt die eher Modell 2 gefolgt sind. Das rächt sich heute. Die Fremdheit beginnt an der Körpergrenze, es wird viele Jahre brauchen um diese Grenzüberschreitung wieder positiv zu konnotieren, wieder Lust darauf machen das Neue, Fremde neugierig zu entdecken, als vor Lauter Angst davor , alles zu zerstören, was man nicht kennt.

    Aber es ist nicht nur die Angst, es ist auch die politische Frustration, die Erfahrung der jahrelangen Lähmung durch Proporz und Freunderlwirtschaft, die völlige Verschmelzung von Stadt und SPÖ wie es in Wien ist, die Menschen dazu bringt zu protestieren. Mit einer Stimme für einen, der nichts besser macht. Es ist das fehlende politische und das fehlende Geschichtsbewußtsein, das sich hier zeigt, also wieder eine Schleife zum Beginn zum Bildungsproblem.
    Und es ist ein starkes Zeichen,d ass wir daran scheitern vor allem jungen Männern genügend Perspektiven aufzuzeigen, die sie selbst als solche erkennen können. Die Herausforderung der nächsten Jahre wird es sein ein Bildungssystem zu schaffen, alle unabhängig von ihrer Herkunft bis zum 18 Lebensjahr bildet. Das Selbstständigkeit und Konfliktfähigkeit stärkt und destruktives Verhalten verhindert

  5. 11. Oktober 2010 12:59 pm

    Martin: Gibt meine Befürchtungen gut wieder, Häupl hat noch vom Stadtvaternimbus zehren können aber wer kommt dann?

    Schwarz-grün hätte mich in der Theorie mal gereizt – ich beobachte die ÖVP-Petsonalien zu wenig, als dass mir da ausreichend Flexibilität hätte auffallen können.

    Also hoffe ich weiterhin auf mehr bürgerliche Realpolitik bei den Grünen. Grüne Werte in den Mainstream! (schwer solang die sich zurrst von Links her definieren)

  6. Thomas Thurner permalink
    11. Oktober 2010 1:04 pm

    pardon jana – eine klare haltung gegenüber dem faschismus ist keine keule. und schade dass du drüber nimmer diskutieren willst – dann frage ich mich, welchen zweck dein blogeintrag verfolgt. muss wohl um die sammlung von leuten mit gleicher meinung gehen.

    so: i’m out.

  7. 11. Oktober 2010 1:18 pm

    Jana, ich versteh Deine Hoffnung, ich glaube nicht mehr dran. Ich bin aber auch nicht nur pessimistisch. Die Erneuerung wird aus der Zivilgesellschaft kommen. Freilich nicht mehr *für* uns, aber *durch* uns. Auch kein schlechter Gedanke.

  8. 11. Oktober 2010 2:45 pm

    @Thomas erklär mirbitte welchen Raum zu diskutieren das Statement „Faschismus ist Verbrechen“ hier lässt, wenn es – wie ich vermute – heissen soll, dass alle FPÖ – WählerInnen VerbrecherInnen sind. Ja, auch ich hab Angst davor, dass sich hier ein 3. Reich in seiner Frühform reinstalliert, mit dem bloßen Verdikt allein eröffnet man auch keine Diskussionsbasis. Wie oben geschrieben: Es geht nicht darum um Verständnis für Rassismus zu werben, es geht darum zu verstehen, wie er zustande kommt.

  9. Thomas Thurner permalink
    11. Oktober 2010 2:56 pm

    Falsch vermutet.

  10. 11. Oktober 2010 3:05 pm

    Meine Güte. Ihr Antifaschisten werdet Euren „Cordon sanitaire – jetzt!“ solange ausrufen, bis wir ihn endlich wieder haben, den Faschismus. Ist es wirklich so schwer zu verstehen, dass jemand, der eine saudumme Position vertritt sich trotzdem persönlich – als Mensch – durch so einen „Cordon“ angegriffen und ausgegrenzt fühlt? Anscheinend. Also, dann werdet ihr ihn wohl bald wieder bekommen euren Faschismus.

    Ich werde bis knapp davor für eine andere Gangart eintreten – und gleichzeitig schon auch Vorsorge treffen, dass ich rechtzeitig rauskomme, bevor Ihr euch mit all Eurer Blindheit und Dummheit „durchsetzt“. Möchte nicht unbedingt für die Dummheit von Faschisten wie Antifaschisten bezahlen müssen.

  11. 11. Oktober 2010 3:18 pm

    @Thomas Und darf man auf Spezifikation des Arguments hoffen? Es ist mir absolut einsichtig, wie man auf in diesem Kontext auf Faschismus-Analogien kommt, es ist mir nicht einsichtig, wie und wo diese weiterhelfen. Jetzt kann man es einfach dabei belassen zu schließen, dass ich auch a) entweder zu blöd bin oder, noch nobler, b) mir vorwerfen, mich zu keiner klaren Haltung gegenüber dem Faschismus durchringen kann. Dann perpetuiert man einfach mal wieder den blinden Fleck der Argumentation: Dass man nämlich zuerst davon ausgehen muss, dass in Österreich Faschismus toleriert wird bzw. sogar herrscht.

    Nochmals: Ich bin durchaus der Ansicht, dass man der FPÖ das vorwerfen kann. Aber es bringt einen nicht weiter, es schafft keine Alternative, man verfängt sich vielmehr in einem Analogiegewirr, das einem den Blick auf die Gegenwart verstellt. Und man macht sich selbst zum Abziehbild der FPÖ-Behauptung, dass den Linken nämlich längst nichts anderes mehr einfiele, als der FPÖ Faschismus vorzuwerfen.

  12. Thomas Thurner permalink
    11. Oktober 2010 3:37 pm

    Mal sehen, ob Du mir wieder einfach die Keule in die Hand drückst 😉

    Faschismus, Rassimus und (ja auch) fehlende politisch/moralische Bildung (oft auch Dummheit) zu benennen, ist natürlich schon ein Weg mit dem Rechtsruck umzugehen. Es ist eine Grenzziehung, die klar signalisiert: „Liebe MitbürgerInnen, nicht weiter! Ab hier ist mit klarem Widerstand zu rechnen!“

    Und auch: „Liebe MitbürgerInnen, es ist ja schön, wenn Ihr Euch beklagen wollt – aber nicht so. Das ist nicht toleriert – da habt ihr mit Gegenrede, Gegenaktion und (ja) offener GegenerInnenschaft zu rechnen.“

    Und weiter: „Liebe MitbürgerInnen, das wird nicht vergessen werden, was Ihr hier tut. Das läßt sich dann nicht mehr beim Heurigen wegtrinken. FPÖ-Wählen war falsch. Da gibt’s kein ‚Schwamm drüber‘!“

    Wenn das nicht klargestellt wird, glauben manche Menschen FPÖ-Wählen wäre normal – das ist es nicht. FPÖ-Wählen ist kein demokratisches Grundrecht, sondern ein Missbrauch desselben.

    Wer glaubt, dass Bildung ein Schlüssel zur Auflösung des Problemes ist, der irrt. Sarrazin ist gebildet, Haider war Verfassungsrechtler und die Demographie der FPÖ-Stammwähler geht immer mehr in’s Bürgertum. Es muss klargestellt sein, dass der Gang zur Rechten, eine Überschreitung eines Cordon Sanitaire ist – mit allen Konsequenzen.

  13. 11. Oktober 2010 3:40 pm

    @Ursula Sorry, kam erst jetzt zum Freischalten, wer hier noch nicht kommentiert hat, muss zunächst erstmal freigeschalten werden (du meinst Schulsystem, nicht Schlusssystem, oder?)

    Ich glaube, dass Bildung, Ausbildung, Souveränität, Unabhängigkeit von Seilschaften (in dem Zusammenhang auch: von Freunderlwirtschaft) uns dahin bringen kann.

    Darüberhinaus wünsche ich mir aber auch einen Zusammenhalt in der Gesellschaft selbst, der dann nicht nur die Frage betrifft, wie die Jugend konfliktfähig werden kann, sondern auch, was denn der gemeinsame Nenner aller sein kann. Sowas wie ‚Heimat‘ – verstanden im emphatischen Sinne als Umwelt, die zu nachhaltiger Sorge verpflichtet, als lokales Wirtschaftsumfeld, als Zentrum sozialer Solidarität – könnte m.E. einer der Begriffe sein, um die man etwas ansiedeln könnte; als bloßes weiteres Beispiel der Begriffe, die man den Rechten entreißen muss statt sie selbst zu verdammen.

    Parolen wie ‚Heimat im Herzen, Scheiße im Hirn‘ (der war von einer grünen Jugendorganisation, oder?) tragen uns m.E. aber in die falsche Richtung tragen.

  14. Thomas Thurner permalink
    11. Oktober 2010 3:45 pm

    Ja, Martin – so sind sie die Antifaschisten.

    Und weil’s als Reply grad „auf’gelegt“ ist: Vielleicht hilft ja gegen diese Dummheit der Antifaschisten auch ein Bildungsprogramm – vielleicht sograr das selbe. War jetzt nur halb-ernst und halblustig gemeint … brauchst nicht drauf antworten.

  15. 11. Oktober 2010 4:09 pm

    @Thomas Die Keule drücke ich dir nicht in die Hand, die zückst du schon selber. Wir werden uns auch am Ende dieses Tages in diesem links-linken Grabenkampf nicht besser verstehen. Da haben wir doch wieder so ein Keulenargument: Sarrazin und Haider sind/waren gebildet – Bildung ist also fürn Oasch. Oder Wählen: Die ‚Richtigen‘ wählen ist demokratisches Grundrecht, FPÖ-Wählen ist Missbrauch desselben (gehört halt zur Demokratie dazu, dass alle wählen dürfen, nicht nur die mit der ‚richtigen‘ Meinung). Geh doch mal rüber zu SOS Österreich und erkläre dort, dass die alle Faschisten sind (dort ist die Botschaft ‚klaren Widerstand zeigen‘ sicher zielgruppengerechter und weniger symbolisch platziert als hier). Reload – see what happens.

    Und falls du mit deinem letzten Kommentar aber in der Tat ausdrücken wolltest, dass ich selbst schon zu den Rechten übergegangen wäre, weil ich nicht glaube, dass das Wienwahl-Ergebnis am besten durch symbolische Verdammung von FPÖ-WählerInnen zu bewältigen ist, dann bleibt mir nur zu sagen: Happy left ghettoization!

  16. Thomas Thurner permalink
    11. Oktober 2010 4:30 pm

    Lassen wir’s. Ich werfe Dir keine rechten Symphatien vor – wenn Du das irgendwo rausliest, dann haben wir wohl in dieser Frage keine gemeinsamen Raum wo gegenseitiger Gedankenaustausch ohne tausende Mißverständnisse möglich wäre.

    Da hast Du recht – der klare Widerstand ist wohl woanders besser eingesetzt. Ich wohne in Simmering und bin seit 1987 in Wien – und habe mich – wie du nahelegst – ganz unsymbolisch schon mit allerlei Widerstand beschäftigt.

    Bis dann!

  17. 11. Oktober 2010 6:15 pm

    Mir ist nicht klar, wie ein cordon sanitair funktionieren soll. Die Leute wählen die Blauen ja trotzdem – ganz gleichgültig, ob das (Von wem? Von denjenigen, von denen sie ohnehin wenig halten?) für unanständig erklärt wird.

  18. leromarinvit permalink
    11. Oktober 2010 6:26 pm

    Ich schalte mich da mal ein. Auch ich halte die FPÖ für eine im Kern faschistische Partei. Das heißt allerdings nicht, dass gleiches für ihre Wählerschaft gilt. Die FPÖ hat IIRC nur ca. 15% Stammwähler. Auf alle abgegebenen Stimmen gerechnet sind das – beim aktuellen Ergebnis – knapp über 4%. Wobei die 15% von Umfragen nach früheren Wahlen mit schlechterem Ergebnis für die FPÖ stammen, es dürften also in Wirklichkeit eher 2-3% sein.

    Der Rest sind Proteststimmen. Die FPÖ schafft es leider durch geschicktes Marketing und blanke Lügen, sich als die „einzig wahre“ Protestpartei darzustellen. Die Protestwähler sind es, die man nicht ignorieren darf. Nicht die paar Stammwähler, bei denen eh Hopfen und Malz verloren ist.

    Es ist daher durchaus notwendig, sich mit den Gründen für die blauen Wahlerfolge auseinander zu setzen. SPÖ und ÖVP haben das auch erkannt, nur leider betreiben sie Symptombehandlung in Form von vorauseilendem Gehorsam gegenüber den Blauen. Siehe Schottermizzi und z.B. das Bettelverbot in Wien.

    Bildung ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung, um Faschismus ein für alle mal loszuwerden. Wir müssen weg von einer Gesellschaft, in der es wenige Gewinner und viele Verlierer gibt. Die Verlierer werden sich immer (zurecht) als Opfer sehen und (zu Unrecht, aber nachvollziehbarer Weise) dem erstbesten Hassprediger anschließen, der einen passenden Sündenbock präsentiert.

    Wir brauchen beides: Wir müssen einerseits der FPÖ die „soziale“ Maske abreißen und ihre wahre faschistische Fratze sichtbar machen. Das heißt durchaus, die FPÖ offensiv anzugreifen. Nicht aber ihre Wähler – diese als Nazis darzustellen ist nicht zielführend und, was viel schwerer wiegt, in den meisten Fällen schlichtweg falsch. Gleichzeitig müssen wir den Protestwählern eine Alternative in Form einer glaubwürdigen Linkspartei anbieten, die Neoliberalismus, Kürzungen und Sozialabbau etwas engegenzuhalten weiß. Damit ließe sich die FPÖ auf ihre paar Prozent ewiggestrige Stammwähler reduzieren und fiele somit unter „ferner liefen“.

  19. 11. Oktober 2010 6:52 pm

    @leromarinvit (Das Verschachtelungssystem, das ich jetzt am Blog hab‘, ist ganz schön verwirrend).

    Die Differenzierung zwischen FPÖ und WählerInnen halte ich für einen ganz, ganz wichtigen Punkt. Ich verwende das Wort ‚faschistisch‘ nicht gern in der Beschreibung, weil sich a) zu selten Rechenschaft darüber abgelegt wird, was es jetzt konkret heißen soll, b) es mit soviel historischem Gewicht daher kommt (wie oben geschrieben: nicht, dass die Analogien unangebracht werden, aber man macht sich allzu schnell dem Vorwurf angreifbar, selbst dem Ewiggestrigen verhaftet zu sein) c) es in der Argumentation somit mehr zudeckt als aufdeckt.

    Ich würde mir z.B. wünschen, dass in den nächsten fünf Jahren ganz genau beobachtet wird, was FPÖ-ler im Gemeinderat anstellen – und offengelegt wird, wo sie den Anforderungen des Amts nicht genügen oder sogar Befugnisse missbrauchen. Wird das passieren? Damit rechne ich – eine politische Szene mit soviel Altherrenriegen wird ohne das Leisten von Gefälligkeiten vermutlich nicht aufkommen (siehe auch Gerald Bäcks Liste rechter Gesetzesbrecher http://www.baeck.at/blog/2010/09/03/rechte-gesetzesbrecher/ )

    Auf diesem Weg wünsche ich mir, dass der FPÖ die soziale Maske heruntergewesen wird – die ewig Leier „Das sind alles Faschisten“ funktioniert als Vorwurf nicht mehr. Für mich ist es zum Wiehern, wenn Strache et al. mal wieder beschwören, sie würden dauernd ausgegrenzt und als Nazis vernadert (oder wie der Kickl das immer nennt) werden – aber das Argument zieht. Daher wünsche ich mir intelligenteres Vorgehen.

    Entlarven der freiheitlichen Machenschaften plus Bildung plus Gegenentwürfe, die nicht bloße Reaktion oder vorauseilender Gehorsam in Sachen Rechtsruck sind, das zusammen sollte funktionieren. I hope.

  20. 11. Oktober 2010 7:08 pm

    @Jana Ja, das hat von meiner Seite eine Menge Einigungspotential, wobei mit Dir muss ich mich ja nicht einigen.

    Und ja, bitte lass das sein mit der Verschachtelung. Nix gut. My 5 eh schon wissen. Lg!

  21. 11. Oktober 2010 8:02 pm

    Entschachtelt!

  22. 12. Oktober 2010 11:31 am

    @Markus Das müsste letztlich Thomas erklären, wie das funktionieren soll – ich halt es für eine Fantasie, dass man sowas wie einen ‚ideologischen Schutzwall‘ errichten könnte und davon abgesehen ist mir der Gedanke selbst zuwider (es schwingt für mein Gutdünken zuviel an ‚Gedankenhygiene‘ in der Konnotation eines cordon sanitaire mit; vielleicht muss man aber auch wie ich in der Zonengrenze (West) in der Nähe eines „antifaschistischen Schutzwalls“ aufgewachsen sein, Verwandtschaft in der Ostzone gehabt und parallel Ost- und Westfernsehen gesehen haben, damit man bei einem solchen Begrifff zusammenzuckt).

    Die englische Wikipedia sagt zu Cordon Sanitaire:

    Cordon sanitaire (French pronunciation: [kɔʁdɔ̃ sanitɛʁ]) — or quarantine line — is a French phrase that, literally translated, means „sanitary cordon“. Though in French it originally denoted a barrier implemented to stop the spread of disease, its use in English is almost always metaphorical and political, and refers to attempts to prevent the spread of an ideology deemed unwanted or dangerous, such as the containment policy adopted by George F. Kennan against the Soviet Union.

    Ob dieser Gedanke mitschwingte als der Kurierredakteur diesen Artikel verfasste? Nebenbei geht’s schon wieder los – statt eigener Politik machen die Roten weiterhin in ihrer Verzweiflung Zugeständnisse Richtung blau:

    Schutzdamm gegen blaue Welle gesucht. Rote Landeschefs & Funktionäre fordern eine strengere Zuwanderungspolitik und klarere Botschaften von der Spitze.

    http://kurier.at/nachrichten/2040525.php

  23. 13. Oktober 2010 6:33 pm

    „Gut ausgebildete Personen mit beruflichen Perspektiven haben vermutlich weniger Angst, sind selbstbewusster, müssen nicht so sehr nach anderen treten, nicht so sehr um den eigenen Abstieg fürchten,…“

    und wenn dann alle mehr Bildung haben, konkurrieren sie halt auf höherem Niveau um die selben wenigen Arbeits- und Lebensplätze und haben dann wieder die selben Ängste. Bildung mag ein individueller Ausweg sein, ein gesellschaftlicher ist es nicht.

    Die Rechten machen zur Zeit überall plus, weil die multiple Krise (Staatsfinanzen, Banken, Armut, Klima, …) den Leuten den Boden unter den Füßen wegzieht und sie keine Alternativen sehen und sie deswegen um sich hauen, wie alle in die Enge gedrängten ohne Ausweg.

  24. 13. Oktober 2010 9:15 pm

    @ Benni An eine monokausale (eher: sich jetzt punktuell äußernde) Begründung glaube ich nicht, an Bildung und an den Menschen schon, und auch daran, dass das Umsichhauen dann weniger rabiat ausfällt. Da bin ich wohl unbelehrbar:) Zumindest bin ich mir sicher, dass das rechte Fundament hier in Österreich über die letzten Jahrzehnte sorgfältig gelegt worden ist, die Rechten hier jetzt ernten, was sie gesät haben – FPÖ ist hier hoch wie zu Haiders besten Zeiten, aber nicht höher, und es damit nicht eine aktuell prekäre Situation ist, die die Menschen rechts wählen lässt.
    P.S.: Dass Bildung allein nix heile machen kann ist eh klar, Bildung war auch nicht das alleinige Thema das Blogposts, weiter unten in den Kommentaren ist es eh weiter aufgespreizt.

  25. Tom permalink
    14. Oktober 2010 10:06 am

    Ich entstamme einer erzroten Wiener Familie und bin mit Kreisky-Bildern am Kühlschrank aufgewachsen. Am Abend der Wahl habe ich einen Telefon-Rundruf gemacht. Ergebnis: 2 mal blau, 1 mal orange, 1 mal ungültig. Klar kann man sich jetzt hinstellen und die ganze Familie in Bauch und Bogen verdammen und für Idioten erklären. Sinnvoller halte ich es jedoch, sich mit den Motiven auseinander zusetzen, diesbezüglich stimme ich Jana zu.

    Ich bin schwul, aufgeklärt, Atheist. Und ich fühle mich zunehmend bedroht. Bedroht durch einen immer mehr Platz greifenden Islam. Ich fühle mich zunehmend bedroht, wenn mir Menschen bereits aus der Ferne mit ihrer Kleidung symbolisieren, dass sie gegen die Gleichstellung der Geschlechter sind. Ich fühle mich bedroht durch Moralvorstellungen aus der Wüste des 7. Jahrhunderts. Ich fühle mich bedroht, wenn Abgeordnete der SPÖ Tausende rechtsextreme Türken auf einer Demo antisemitisch aufhetzen! Keiner nimmt diese Sorgen ernst. Stattdessen werde ich verspottet und als Rassist gebrandmarkt. Und dann wundert ihr euch, wenn ich mich von jemanden verstanden fühle, der zumindest vorgibt, meine Probleme zu verstehen? – DAS ist der Knackpunkt! Ich weiß, dass Strache meine Probleme nicht lösen kann. Aber er sagt zumindest, dass da Probleme sind. Alle anderen erklären mir, dass meine tagtäglichen Wahrnehmungen und Erlebnisse reine Hirngespinste sind.

    P.S.: Noch etwas, liebe Jana: fall nicht auf den „das böse NLP“-Gewäsch rein. Das von dir oben zitierte Beispiel hat mit NLP null zu tun. Lustigerweise ist die ATV-Moderatorin Sylvia Saringer selbst bestens NLP geschult, und nicht nur ein paar Interview-Partner. –> http://derstandard.at/1250003764161/STANDARD-Interview-Kann-Antwort-nicht-herauspruegeln

  26. 14. Oktober 2010 2:23 pm

    @tom ich geb zu, ich hab keine ahnung, wie NLP wirklich funktioniert, meine erfahrung damit beschränkt sich auf eine person, mit der ich mal beruflich zu tun hatte, die im rahmen der betrieblichen weoterbildung nlpworkshops anbot und mit der man zu keiner zeit über irgendwas diskutieren konnte, weil ständig merkwürdige rhetorische knüppelchen ins gespräch geworfen wurden. vermutlich also auch kein gutes beispiel! korrigiere also, dass NLP in meinem bisherigen gebrauch bestenfalls als kurzwort zu verstehen ist für rhetorische tricks.

    mir ist auch klar, wie vorsichtig man vorgehen muss, trotzdem denke ich, dass es zeit ist, zu einer aufgeklärten, vorsichtigen islamkritik zu kommen – wobei gleich hinzuzufügen ist, dass es sich um eine ganz bestimmte flexion davon handelt (ebenso, wie es ja auch christliche feministische theologie gibt und papst bennys dogmen nicht die praxis aller christen beschreibt – zum glück). in jedem fall brauchen wir einen diskursiven raum, innerhalb dessen das unbehagen mit bestimmten gelebten formen des islam geäußert werden kann – denn sonst ist und bleibt hadschi strache der einzige ansprechpartner in diesen fragen, und dieses thema das einzige, da artikulierbar ventil für einen ganzen komplex an problemen, die aktuell schwelen (siehe benny bärmanns kommentar obendrüber)

  27. Links vom Diwan permalink
    16. Oktober 2010 5:59 pm

    Darf mich da auch mal einkoppeln. Weil ich die art und weise wie jana darüber nachdenkt schon wohltuend „breit“ empfinde und und nicht so undifferenziert wie so manche „geschockte linke“ das hier und anderswo kundtun (mir geht deren reduktionistische art der verurteilung unglaublich am nerv, weil es des gleiche prinzip ist, mit dem die FP argumentiert) .
    Ich bin nicht der meinung, dass bildung allein dem omnipräsenten angst-konstrukt einer immer paranoider werdenden gesellschaft gegengewicht genug ist. Es mag ja viel positiv katalysieren, aber die politisch artikulierte angst hat nicht nur persönliche unsicherheiten als hintergrund, sondern ist auch ausdruck einer gewissen ohnmacht gegenüber der art wie offensichtlich macht- und geldkonzentrationen uns bestimmen. Und hier bietet die FPÖ wohl die am meisten geglaubte illusion der rückgewinnbaren selbstbestimmung in dem sie das einfachste aber zugleich auch unwichtigste feld der macht beackert, nämlich jenes der bestimmung über fremde, über immigranten. Hier leimen wir einem substitut auf: Das, was die bevölkerung wirklich bestimmen sollte (nämlich die struktur der machtkonstruktionen in diesem land) kann sie nicht bestimmen (nicht nur wegen eines bildungsmangels), aber über rechtlich ohnehin schwächer gestellte einwanderer kann sie recht gut bestimmen. Das gibt ein gutes gefühl – man hat wieder was zu sagen. Dass es nichts wert ist, ist nebensache und wenn der letzte einwanderungswillige fadenscheinig abgeschoben ist, wird die ohnmacht wiederkehren.
    Die angst nährt sich mmn. auch stark aus generellen politischen strömungen, die in den letzten 15 jahren zu einer ständigen beschneidung von rechten und freiheiten für uns alle geführt haben – nicht erst seit 9/11. Leute, die sich latent immer mehr eingeengt fühlen, nehmen die billigen feindbilder gerne an und daran wird bildung wenig ändern.
    Ängste interagieren ja auch nicht so sehr mit formalen und intellektuellen dimensionen der bildung (qualifikation, geschichtswissen etc.) sondern primär mit emotionalen. Und auf dieser waagschale stehen so kleinigkeiten wie zerrüttete familien, wohlstandsverwahrlosung, sozialisierung durch sitcoms und soaps, tägliche katastrophenberichterstattung in den medien, tägliche crime-stories im fernsehn etc.
    Das alles schafft in summe genau diese realitätskonstruktionen, die für faschistische parolen sehr anfällig sind. Angst ist ein kulturphänomen unserer zeit und weniger ein bildungsdefizit (für das unsere politik in den letzten jahrzehnten ja fleißig gesorgt hat). Wir müssen ängsten auf vielen kulturellen ebenen entgegentreten und so lange es politiker gibt, die ängste bloß „ernst nehmen“, statt es sich zur aufgabe machen, uns diese ängste auch zu nehmen, wird die kultur keine andere werden.

  28. 16. Oktober 2010 9:02 pm

    Bildung ist sicher nicht die einzige Antwort – der Vorteil von Bildung (und zwar Bildung zu einem souveränen Subjekt) gegenüber anderen Strategien ist, dass sie die Personen nicht bevormundet sondern versucht, Raum für diese zum Wachsen zu schaffen. Selbstbestimmung aus sich heraus, nicht durch illusionäre Vorgabe von außen, aber eben auch nicht durch ‚geistige Hygiene‘ (im Sinne des oben diskutierten ‚cordon sanitaire‘).

    Das allgemeine Klima der Angst, das enger Schnüren der staatlichen Kontrolle ist freilich in der Tat noch mal ein ganz anderes Feld – da könnte man jetzt bei der Rasterfahndung anfangen und bei Vorratsdatenspeicherung und Three-Strikes-Out-Vorschlägen noch nicht aufhören.

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