Notiz zur Öffentlichkeit im Internet (ad causam Lorenzis)
Eine kleine Fingerübung… auch heute morgen haben sich meine Ansichten zur Mikrorevolte nicht geändert – für mich ist dies hier nach wie vor eher eine kleine Diskussion unter Internetbekannten. Nett daran ist, dass neue Leute bzw. Stimmen auf dem Horizont meiner kleinen Internetwelt auftauchen, dank scheissinternet.at – letzteres verstanden sowohl im übergreifenden Sinne, als auch im engeren Sinne auf diese Internetadresse bezogen. Jetzt ist zu lesen, dass Lorenz pensioniert würde – aber, höösch, ja doch nicht wegen seiner Äußerungen oder gar wegen dieser Mikrorevolte, sondern weil er eben lange genug gehackelt und dirigiert hat.
Dass die Diskussion sowieoso aneinander vorbeigeht, zeigt auch noch das letzte Interview im Standard:
„Das war ein isoliertes Statement auf eine spezielle Aussage eines Teilnehmers, er interessiere sich nicht für das obsolete Thema ‚Atomkraft‘ anhand des Beispiels ‚Der erste Tag‘. Darauf die Antwort“, rechtfertigt er nun diese Aussage.
„Jenseits von Mut und Zivilcourage“
Wolfgang Lorenz gegenüber etat.at: „Ich finde das Internet per se überhaupt nicht Scheiße! Aber ich finde es absurd, dass die Jungen jenseits von Mut und Zivilcourage quasi in den elektronischen Underground abtauchen. Das ist Verlust an gesellschaftspolitischer Relevanz.“
Kurios daran ist, dass doch in den letzten Monaten ‚das Internet‘ wesentlich häufiger gedeutet wurde als das große Exhibitionistenmedium, die totale Öffentlichkeit, das große Panoptikum, in dem Menschen ihr Innerstes nach außen kehren und so z.B. ihren Job verlieren (die Partyfotos…) – dass es hier also gegenläufig mit elektronischem Untergrund, dem völlig Unsichtbaren gleich gesetzt wird, ist ziemlich amüsant.
Die eine wie die andere Deutung ist extrem, aussschließlich, und darum ist eine sowenig zu gebrauchen wie die andere. Im Web (m.E. ein brauchbarerer Begriff als diese umfassende Rede von ‚dem Internet‘) kaskadieren die Öffentlichkeiten, gibt es die Konversation zwischen zwei Personen genauso wie die Gruppenversammlung, die nie gefundene, virtuelle Flaschenpost ebenso wie die virtuelle Litfaßsäule und die Massenverlautbarung – das über den Kamm scheren als ‚elekronischer Untergrund‘ ist also nix also ein weiterer Beweis, dass sich jemand mit dem Medium nicht auseinander gesetzt hat und v.a. auch nicht damit auseinandersetzen will: „weil das eh keine gesellschaftspolitische Relevanz hat“.
Da möchte man die Gegenfrage stellen, ob die Menschen denn dann nicht auch aufhören sollten miteinander zu reden, auf der Straße, an der Arbeit, im Unterricht, denn hat denn das gesellschaftspolitische Relevanz? Ist das nicht ein sogar noch viel konspirativerer Untergrund, da ich das Gespräch an der Straßenecke ja hinterher noch nicht einmal archivieren, weiterschicken, anderen mitteilen kann?
Äpfel und Birnen soll man nicht vergleichen, und das was hier mit dem Begriff ‚Internet‘ zusammengefasst werden soll, lässt sich so einfach nicht zusammenfassen und schon gar nicht vom Tisch fegen. Das Partizipationspotenzial, dass das Internet bietet, einfach zu ignorieren, weil es nicht so funktioniert, wie man sich Partizipation vorstellt (wie auch immer er es sich vorstellt), das ist einfach dumm.
Noch dümmer ist allerdings die Vorstellung, man würde Mut und Zivilcourage zeigen, wenn man sich vor die Glotze setzt und einen Film über Atomkraft schaut. Da bringt mir, ich linke nochmals drauf, der Castor-Ticker auf Twitter wesentlich mehr.
Und jetzt schweigen Sie, Herr Lorenz, und versauen Sie Ihrem Nachfolger nicht die Web-Strategie. Oder fangen Sie endlich an, das Web für sich selbst zu nutzen – dann werden Sie auch verstehen, worum es geht.
Siehe auch: Post von gestern.
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Mich macht der letzte Satz nachdenklich:
„Wiens Landeschefin Brigitte Wolf (SP) soll als neue Hörfunkdirektorin auch gleich die nur 23 Mitarbeiter starke Online-Direktion Prantners übernehmen.“
Da hilft es auch nicht, dass vor einem Monat was anderes behauptet wurde (http://diepresse.com/home/kultur/medien/421576/index.do). Online und Teletext zusammenlegen? Bravo.
Nein, man kann da wirklich nicht den Eindruck gewinnen, dass das Web da als eigeständiges Medium ernst genommen wird. Wobei Online und Teletext ganz gut zusammen funktioniern kann – aber nicht wenn man Online wie Teletext behandelt.